„Gut leben statt viel haben“

© Walter Sauter (POW) | Rund 130 Menschen waren in den Hubertushof gekommen, um mehr über das alternative Zukunftsmodell von Professor Dr.Niko Paech zu erfahren

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Zu einem kulturellen Wandel hat Professor Dr. Niko Paech die rund 130 Zuhörerinnen und Zuhörer beim Gesprächsabend unter dem Motto „Zukunft JETZT. Ressourcen bewusst nutzen“ der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) aufgerufen.

Sein alternatives Zukunftsmodell fasste der Volkswirt am Freitag, 2. Februar, im Hubertushof in Fährbrück so zusammen: „Gut leben statt viel haben.“ Das sei durch mehr Genügsamkeit und weniger Luxus zu erreichen. Der Wachstumsideologie erteilte er eine klare Absage: „Ich glaube nicht an Wachstum.“ Moderator KLB-Bildungsreferent Dr. Wolfgang Meyer zu Brickwedde bezeichnete den Referenten als „einen der bedeutendsten Wachstumskritiker Deutschlands“. Auf die Frage, wie man in Zukunft gerechter und nachhaltiger leben könne, antwortete Paech, das sei nicht über den von Politik und Wirtschaft bisher eingeschlagenen Weg zu erreichen. „Die Idee einer grünen Wohlstandsromantik ist gescheitert.“ Umweltprobleme durch technologischen Fortschritt zu lösen, sei noch nie gelungen. Man habe lediglich die Probleme „nach Indien oder Afrika ausgelagert“ und durch neue ersetzt. So habe man durch E-Autos zwar das Abgasproblem gelöst, habe aber dafür die Lithium-Problematik. Und die energieeffizienteren LED-Birnen landeten schließlich alle im Sondermüll.

Dabei sei die Belastungsgrenze der Umwelt schon jetzt überschritten, erklärte Paech und rief zu mehr Genügsamkeit auf. Das bedeute jedoch keinen Verzicht, sondern lediglich weniger Konsum. Sein Zukunftsmodell sieht so aus: Weniger arbeiten (statt der 40- nur eine 20-Stunden-Woche), dafür mehr Zeit („die wichtigste Ressource überhaupt“) in Eigenleistung investieren. Als Beispiele nannte er Lebensmittel selbst zu erzeugen, etwa durch Gärtnern oder in der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi), kaputte Dinge selbst reparieren oder Autos und Waschmaschinen gemeinsam mit anderen nutzen, wie er selbst es macht. Der Professor an der Universität Siegen teilt sich etwa eine Waschmaschine mit fünf anderen und hat auch kein Auto oder Smartphone.

Obwohl durch die Reduzierung der Arbeitszeit weniger Geld zur Verfügung stehe, bedeute dies nach Paechs Worten „keine Verarmung oder schlechtere Lebensbedingungen“. Ganz im Gegenteil. „Der Wohlstand kann auch zur Plage werden“, erklärte er. Viele Menschen litten heute unter Konsumstress und einem Problem der Überhäufung. Zudem haben „wir durch unseren Wohlstand die Stabilität in Krisen verloren“, wie er am Beispiel der Coronapandemie verdeutlichte. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass es beim Wohlstand einen „Sättigungspunkt“ gebe. Ab diesem gehe es den Menschen psychologisch nicht mehr besser, sondern sogar schlechter.

Dass durch weniger Arbeit die Wirtschaft nicht mehr so wie bisher wachsen könne, ist dem Wissenschaftler bewusst. Das sieht er allerdings nicht als unlösbares Problem, auch wenn weniger Konsum weniger Umsatz bedeute. Dieser Wandel setze jedoch mehr Kreativität bei den Firmen frei. „Die derzeit übliche Subventionitis wird sich nicht durchhalten lassen.“ Vielmehr ist er überzeugt, dass der „Krisendruck den Wandel auch in der Wirtschaft“ bringen werde. In diesem Zusammenhang nannte der Referent die neue Reparatur-Richtlinie der EU ein wichtiges Zeichen. Etwas zu reparieren anstatt neu zu kaufen sei nicht nur eine Frage des Geldbeutels, sondern auch der Gerechtigkeit, weil für jedes neue Produkt auch Ressourcen benötigt würden, die anderen dann nicht mehr zur Verfügung stünden.

Er warnte jedoch davor, zu große Hoffnungen auf die Politik zu setzen. Vielmehr gehe es darum, dass „wir als Zivilgesellschaft der Politik entgegenkommen“. Dazu sei es nötig, dass alternative Gruppierungen vorlebten, dass es auch anders gehen könne. Er nannte eine Reihe positiver Beispiele, darunter Reparaturcafés, Foodsharing, das Netzwerk „Mundraub“ in Berlin oder „Xäls“, eine ökologische Genossenschaft in der Region Neckar-Alb. Auch sei es nötig, dass die Menschen wieder bereit seien, mehr Geld für Nahrungsmittel auszugeben. Früher habe man 40 Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben, heute sei dieser Anteil mit rund zehn Prozent deutlich geringer.

In der regen Diskussion machte Paech deutlich, dass bei der heftig diskutierten Wasserfrage man den Landwirten nicht allein „den Schwarzen Peter zuschieben“ dürfe. In privaten Haushalten gebe es „irre Einsparungsmöglichkeiten“. Es sei wichtig, in der Landwirtschaft die kleinen Höfe zu erhalten und zu stärken, sagte Paech weiter. Der Bezug zur Landwirtschaft und zur Erzeugung von Lebensmitteln sei bei vielen Menschen verloren gegangen. Er plädierte für eine verstärkte Bindung zwischen Verbrauchern und Landwirten. Das sei zum Beispiel durch Modelle wie die Solidarische Landwirtschaft zu erreichen, bei dem mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs tragen, wofür sie im Gegenzug und durch Mitarbeit auf dem Feld dessen Ernteertrag erhalten.

Der Gesprächsabend wurde vom Arbeitskreis „Land“ der KLB Würzburg in Kooperation mit der Katholischen Landjugendbewegung Würzburg (KLJB) und dem Lernwerk Volkersberg veranstaltet. Er findet jedes Jahr am 2. Februar statt. Zuvor hatte Landvolkseelsorger Wolfgang Scharl mit Gläubigen in der Wallfahrtskirche einen Gottesdienst mit Blasiussegen und Kerzenweihe gefeiert. Paech lehrt an der Universität Siegen Plurale Ökonomik. Er ist Autor mehrerer Bücher und erlangte 2012 durch sein Buch „Befreiung vom Überfluss – Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“ bundesweite Aufmerksamkeit. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter andeerem im Bereich der Umweltökonomie, der Ökologischen Ökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung.

Foto: © Walter Sauter (POW) | Rund 130 Menschen waren in den Hubertushof gekommen, um mehr über das alternative Zukunftsmodell von Professor Dr.Niko Paech zu erfahren.


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